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Die häufigsten Indikationen für Operationen an und um das Nervensystem herum sind therapieresistenter Schmerz in Kombination mit Lähmung oder Lahmheit, Gleichgewichtsstörungen und Erkrankungen des Gehirns mit zentralnervösen Ausfällen.

Schwankender Gang, schmerzbedingte Entlastungshaltung oder gar Lähmung? Hier gilt es schnell zu handeln! Nicht nur bei Dackeltieren und anderen Kleinhunderassen, sondern auch bei mittelgroßen Hunden und seltener auch Katzen ist die Ursache häufig ein Bandscheibenvorfall. Um das Gehvermögen des Patienten zu retten, ist eine schnelle Diagnostik und je nach Lage, Größe und Ausdehnung des Materials auch eine sofortige Operation erforderlich, um das Gehvermögen des Patienten zu retten. Anschließend ist die weitere stationäre und physiotherapeutische Versorgung ein wichtiger Teil des Gesamterfolges. Die meisten Patienten können innerhalb von 2-4 Tagen nach der Operation wieder nach Hause entlassen werden und sind im Durchschnitt nach 6 Wochen nach der Operation 2-3 Lähmungsgrade besser, als zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung.

Eine häufig gestellte Frage ist, ob eine Operation noch sinnvoll ist, wenn die Patienten keine Tiefenschmerzempfindung bei der Eingangsuntersuchung mehr zeigen. Dies ist individuell unterschiedlich und hängt insbesondere vom zeitlichen Verlauf der Lähmung, den Befunden der Kernspintomografie und der Liquoruntersuchung, sowie der zugrundeliegenden Erkrankung ab. Hier werden sie von uns genau beraten.

Der Sportschäferhund springt nicht mehr über die Meterhürde, der treue Begleiter bei Bergtouren kann zuhause nur noch mit Mühe die Treppe in den ersten Stock gehen, ein Kleinhund hat plötzlich eine Schwanzlähmung? Das Cauda equina – Syndrom hat, wie es mein Lehrer André Jaggy treffend formuliert hat – viele Gesichter. Zusammen mit dem Radiologen Johann Lang hat er auf dem Gebiet der klinische und radiologischen Diagnostik wichtige Pionierarbeit geleistet und die bewegungsabhängige Dynamik dieser Erkrankungen eindrucksvoll nachgewiesen. Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz ist es mir in Zusammenarbeit mit meinen Freunden Frank Steffen und Kaspar Matiasek gelungen, neue Diagnose – und Operationsmethoden zu entwickeln, die es erlauben, Nervenschmerzen direkt an ihrem Entstehungsort zu behandeln und gleichzeitig die Stabilität der Wirbelsäule zu sichern. Neben einer gelungenen Operation verlangt neurologische Regeneration Zeit, klare Anweisungen zu Medikamentengabe, Wundschutz und Bewegungsmanagement und eine professionelle physiotherapeutische Betreuung. Es ist unser erklärtes Ziel, diese Maßnahmen für Tier und Mensch so zu bündeln, dass wir uns bei den Kontrolluntersuchungen in die Augen sehen und sagen können – „es hat sich gelohnt“. 

Die Wirbelsäule erhält ihre Steifheit durch die Festigkeit der Wirbelknochen und ihre straffe Beweglichkeit durch das Zusammenwirken von Muskeln, Bändern, Bandscheiben und Gelenken. Von einer Instabilität spricht man, wenn sich die Lage zweier benachbarter Wirbel gegeneinander so verschiebt, dass die in diesem Bereich liegenden Nervenbahnen des Rückenmarks oder der Cauda equina zusammengedrückt werden. Dabei wird zwischen einer statischen Verlagerung, z.B. nach einem unfallbedingten Bruch von Wirbelknochen und einer dynamischen, also bewegungsabhängigen Verschiebung, z.B. durch Erkrankungen der Bandscheibe oder der Wirbelgelenke unterschieden.

In allen Fällen ist ein schlüssiges Konzept erforderlich, um die Festigkeit der Wirbelsäule in dem betroffenen Bereich wieder herzustellen und den Wirbelkanal in seiner ursprünglichen Höhe und Weite zu erhalten. Nur so haben die betroffenen Nervenbahnen die Möglichkeit zur Regeneration. Diese Ziele erreichen wir je nach Lokalisation und Größe des Patienten durch verschieden, z.T. sehr gewebeschonende Techniken.

Nerven liegen in der Regel gut geschützt, frei beweglich und von Fett umhüllt im Körper. So bleibt die Verbindung von Körper und Gehirn bei allen Bewegungen von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen erhalten. Im Bereich der Nervenaustrittslöcher aus der Wirbelsäule müssen die empfindlichen Nervenwurzeln die Wirbelsäule durch einen engen knöchernen Kanal verlassen. Einengungen jeglicher Art führen dort schnell zu Druck- und Reibungsschäden sowie Minderdurchblutung der betroffenen Nervenwurzel.

Typische Symptome eines derartigen „Engpasssyndroms“ beim Menschen werden mit  Missempfindungen, Taubheit von Hautbezirken sowie ausstrahlenden Schmerzen in die betroffene Gliedmaße und Schwäche der vom Nerven versorgten Muskulatur beschrieben.

Aufgrund der Anatomie unserer Haustiere finden wir diese Einengungen der Nervenaustrittslöcher am häufigsten am Übergang zwischen letztem Lendenwirbel und Kreuzbein, in der hinteren Lendenwirbelsäule und wesentlich seltener in der Halswirbelsäule. Dabei kommt es durch eine Verdickung der betroffenen Nervenwurzel zu einem Teufelskreislauf und einer immer weiter fortschreitenden Schädigung des Nervengewebes. Dies äussert sich je nach Lage in Schmerzen unbekannter Herkunft oder einer Entlastungshaltung der betroffenen Gliedmasse. Diagnostikum der Wahl ist die Kernspintomografie. Nervenentzündungen und Nerventumore können die gleichen Symptome hervorrufen und müssen ausgeschlossen werden. Die Therapie bei Wirbelsäulenerkrankungen ist chirurgisch und zielt auf die Druckentlastung der Nervenwurzel und die Vergrößerung des Nervenaustrittslochs ab. Medikamentös kann versucht werden, die Entstehung und Weiterleitung von Nervenschmerzsignalen zu unterbinden.

Kopfschiefhaltung, Gesichtsnervenlähmung und das sogenannte Hornersyndrom sind häufige Befunde bei Erkrankungen im Bereich von Mittel- und Innenohr. Zugrunde liegen oft chronische bakterielle Infektionen des äußeren Gehörkanals, Fremdkörper wie Grashalme, entzündliches Gewebe in Form von sogenannten Polypen oder Tumorerkrankungen. Die Diagnose erfolgt unter Narkose durch eine endoskopische Untersuchung des Gehörkanals und eine Kernspintomografie des Kopfes. Dadurch kann Lage, Größe und Ausdehnung der Erkrankung festgestellt werden. Um Eiter, Fremdmaterial oder entzündliche Polypen aus der Paukenhöhle zu entfernen, muss sich der Chirurg von der unteren Halsseite vorsichtig in Richtung Paukenhöhle vorpräparieren. Um möglichst gewebeschonend zu arbeiten und umliegende Nerven und Gefäße nicht zu verletzen, setzen wir hier unser Piezosurgerygerät ein, um die Paukenhöhle zu öffnen und das Material zu entfernen.

Erkrankungen des Großhirns betreffen den umfassensten und komplexesten Anteil des Nervensystems bei Hund und Katze. Sie gehen mit den unterschiedlichsten klinischen Symptomen einher. Am häufigsten sind Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen, Drangwandern und Kreisbewegungen. Seltener treten Verhaltensstörungen oder eine zentrale Blindheit, d.h. ein Verlust des Sehvermögens bei intakten Augen und Sehnerven auf. Am häufigsten in unserem Patientengut sind Tumorerkrankungen, gefolgt von Entzündungen, Fehlbildungen und Unfallfolgen. Ob ein operatives Vorgehen sinnvoll ist, hängt von der ursächlichen Erkrankung, dem Alter des Tieres und der allgemeinen Gesundheit ab. Eine gute Alternative kann in vielen Fällen eine Strahlentherapie sein.

Rückblickend betrachtet, spiegeln diese Themen auch meinen beruflichen Werdegang wieder.

Meine Begegnungen mit gelähmten Dackeln während des Studiums waren für mich der Hauptgrund, mich auf das Fachgebiet der Neurologie und Neurochirurgie zu spezialisieren. Während der Spezialisierung selbst hat mich dann das Thema Schmerz und Lahmheit im Zusammenhang mit Erkrankungen der hinteren Lendenwirbelsäule, dem sogenannten Cauda-equina Syndrom, in den Bann gezogen. Und später kamen dann im Rahmen einer Weiterbildung in den USA Erkrankungen der Halswirbelsäule, sowie Gleichgewichtsstörungen und Gehirnerkrankungen hinzu.

Dabei hatte ich das große Glück, dass mir meine Lehrer nicht nur ihr technisches Wissen zur Durchführung einer Operation, sondern auch zur Indikation vermittelt haben. Dafür bin ich ihnen zutiefst dankbar.

Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz habe ich in Kooperation mit meinen Freunden Frank Steffen und Kaspar Matiasek neue Operationsmethoden im Bereich der Lendenwirbelsäule entwickelt, die es erlauben, Nervenschmerzen direkt an ihrem Entstehungsort nachhaltig positiv durch einen chirurgischen Eingriff zu behandeln.

 

Heute, über 15 Jahre nach der ersten Operation, bin ich immer noch dankbar für und begeistert vom Erfolg der ursprünglichen Idee.

Doch unabhängig von technischen Feinheiten, die heute immer mehr in den Vordergrund einer Diskussion gestellt werden, geht es letztlich darum, ob ein Patient mit den gegebenen Ausfällen in seinem speziellen Lebensumfeld langfristig und nachhaltig von einer Operation profitieren kann oder nicht. Das ist nicht immer leicht zu entscheiden. Doch es gibt einige wichtige Konstanten. Neben einer gelungenen Operation verlangt neurologische Regeneration Zeit, klare Anweisungen zu Medikamentengabe, Wundschutz und Bewegungsmanagement und oft auch eine professionelle physiotherapeutische Betreuung. Und es ist unser erklärtes Ziel, diese Maßnahmen für Tier und Mensch so zu bündeln, dass wir uns bei den Kontrolluntersuchungen in die Augen sehen und sagen können – „es hat sich gelohnt“. 

Thomas Gödde

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