Die Neurologie beschäftigt sich grundsätzlich mit Erkrankungen, die eine Veränderung der Funktion und/oder Struktur des Nervensystems bewirken. Zum Nervensystem werden dabei nicht nur Gehirn und Rückenmark, sondern auch Nerven und Muskeln der Gliedmaßen gezählt. Somit beschäftigen sich Tierneurologen klassisch mit markanten Krankheitsbildern wie Dackellähme“, Gleichgewichtsstörungen, anstrengungsabhängiger Schwäche oder Epilepsie. Doch gerade im Bewegungsapparat gibt es viele Krankheitsbilder, die mit einer schmerzbedingten Entlastung der Gliedmaßen einhergehen, bei denen keine eindeutige Zuordnung zu Gelenken, Sehnen oder Bändern einerseits oder dem Nervensystem andererseits möglich ist. Weiterhin sind gerade bei älteren Hunden – und Menschen – gleichzeitige Erkrankungen in beiden Organsystemen an der Tagesordnung. Für diese Fälle bieten wir eine eigene Sprechstunde mit anschließender Abklärung an. Ebenfalls eine Überschneidung gibt es zwischen Neurologie und Innerer Medizin, wenn Erkrankungen der inneren Organe zu neurologischen Funktionsstörungen führen.
Oder zwischen Neurologie 3 und Augenheilkunde bei Erkrankungen der Sehnerven. Und schließlich beschäftigen sich sowohl Tierneurologie wie Verhaltenskunde mit verhaltensauffälligen Patienten. Hier geht es um die Frage, ob eine Verhaltensstörung Folge einer nachweisbaren Erkrankung des Nervensystems ist, oder eben nicht.
Grundlage für die Untersuchung all dieser Fälle ist die neurologische Untersuchung. Da das Nervensystem sich gut geschützt im Inneren des Körpers befindet, wird es indirekt durch eine systematische Abfolge spezifischer Tests untersucht – die neurologische Untersuchung. Beim Vorliegen klarer Befunde kann ein geschulter Neurologe eine Erkrankung in einem definierten Teil des Nervensystems orten – das ist dann die klinische Lokalisation. Und in Zusammenhang mit dem Vorbericht und Rasse sowie Alter des Patienten werden dann die nächsten Schritte zu einer möglichst genauen Abklärung der Erkrankungsursache eingeleitet.
Neurologische Untersuchungen im tierärztlichen Gesundheitszentrum Piding:
Bei dem Liquor cerebrospinalis handelt es sich, wie der deutsche Name Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit schon sagt, um eine Körperflüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark in miteinander kommunizierenden Hohlräumen umspült. Er bildet eine Art Wasserkissen als Schutzfunktion des Nervensystems und dient unter anderem auch dem Stoffwechsel, als Transportmedium und der Regulation des Gehirndruckes.
Wann ist eine Liquorpunktion nötig/sinnvoll:
Gerade bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems stellt die Liquorpunktion eine der wichtigsten diagnostischen Maßnahmen dar und liefert oft zusammen mit der Kernspintomografie die entscheidenden Hinweise für die diagnostische Abklärung und eine entsprechende Therapie. Ebenso unterstützt sie die Diagnosefindung bei degenerativen Erkrankungen, Tumoren und Blutungen im zentralen Nervensystem.
Wie wird eine Liquorpunktion durchgeführt:
Beim Kleintier wird die Liquorentnahme immer in Vollnarkose unter Verwendung spezieller Nadeln durchgeführt. Am häufigsten erfolgt die Punktion am Übergang zwischen Kopf und Halswirbelsäule, seltener im Bereich der hinteren Lendenwirbelsäule. Dafür wird das entsprechende Hautareal zunächst geschoren und gesäubert und anschließend vollständig desinfiziert.
Das beim Menschen nach einer Liquorpunktion beschriebene Liquorverlustsyndrom, das mit erheblichen Kopfschmerzen einhergeht, ist in der Tiermedizin nicht bekannt.
Mit der Elektrodiagnostik kann die Funktionsfähigkeit von Organen überprüft werden. Am bekanntesten ist beim Menschen die Messung der Gehirnströme – EEG – und des Herzens – EKG. In der Tierneurologie wird am häufigsten die Funktion des Gehörorgans im Innenohr untersucht – sogenannte AEP – siehe dazu das eigene Kapitel. Weiterhin testen wir die Funktion von peripheren Nerven und Muskulatur untersucht – Einstichaktivität, motorische Nervenleitungsgeschwindigkeit und repetitive Nervenstimulation.
Für die letzteren Untersuchungen sind die Hauptindikationen Schädigungen einzelner Nerven oder einer ganzen Gliedmasse, z.B. nach Unfällen, oder eine allgemeine Schwäche mit abgeschwächten spinalen Reflexen. Weiterhin kommt die Elektrodiagnostik auch bei Lahmheit unbekannter Herkunft und anstrengungsabhängiger Schwäche zum Einsatz. Die Resultate erlauben eine Aussage über die Lokalisation und den Schweregrad einer Nervenschädigung und dienen auch zur genauen Planung einer Nerv- und Muskelbiopsie.
Wie wird die Elektrodiagnostik durchgeführt?
Die Untersuchung ist schmerzhaft und erfolgt beim Tier unter Vollnarkose, beim Mensch am wachen Patienten! Die Einstichaktivität wird mit einer speziellen Nadelelktrode untersucht, mit der jede Muskelgruppe einer Gliedmasse an verschiedenen Stellen punktiert wird. Damit wird die Spontanaktivität des ruhenden Muskels gemessen.
Bei der Messung der motorischen Nervenleitungsgeschwigkeit wird ein Nerv an zwei verschiedenen Stellen durch einen kurzen Stromimpuls gereizt und am zugehörigen Muskel gemessen, ob diese Stimulation auch erfolgreich über den Verlauf des Nerven weitergeleitet wurde. Diese Technik kommt insbesondere nach Unfällen mit Nervenschädigung zum Einsatz und kann auch darüber Auskunft geben, ob eine zuvor unterbrochene Nervenversorgung wieder beim Muskel ankommt.
Die repetitive Nervenstimulation dient der Überprüfung der Übertragung der Nervenreize auf den Muskel und hat eine Spezialindikation bei anstrengungsabhängiger Schwäche.
Ein aufmerksamer Besitzer bemerkt in der Regel sehr schnell, wenn sein Tier sich nicht wie gewohnt bewegt oder lahm geht und dabei eine oder mehrere Gliedmaßen nicht mehr richtig belastet. Doch nicht immer sind die Symptome klar zu erkennen, wechseln im Schweregrad je nach Belastung oder verschwinden nach einer Behandlung mit Schmerzmedikamenten, um später wieder erneut aufzutauchen. Ein weiterer Punkt ist, dass unsere Haustiere bei den unterschiedlichsten Ursachen wie Nerven-, Muskel- oder Gelenkserkrankungen die Gliedmaßen entlasten ohne in ihrem Verhalten einen offensichtlichen Schmerz zu zeigen und dass viele Erkrankung des Bewegungsapparats langsam und schleichend verlaufen.
Mit unserer Sprechstunde – Lähmung oder Lahmheit? - tragen wir diesem Umstand Rechnung und untersuchen jeden Donnerstag lähmende oder lahmende Patienten unabhängig aus neurologischer und orthopädischer Sicht, bilden dann ein Konsilium und stimmen die weiterführenden diagnostischen Schritte genau ab.
Ihr Vorteil:
alle diagnostischen Schritte können in einem einzigen Termin und mit einer Sedation oder Narkose durchgeführt werden. Weiterhin werden bei diesem Vorgehen auch Erkrankungen in verschiedenen Organsystemen, z.B. Wirbelsäulen und Knie, zuverlässig erkannt. Und – wen wunderts – bei mittelgroßen Hunden im Alter über 5 Jahren treten diese Kombinationen gehäuft auf und können erst nach genauer Diagnostik optimal behandelt werden.
Wir bieten eine Spezialsprechstunde für Hunde und Katzen an, die unter Epilepsie (Anfallsgeschehen) leiden. Sie richtet sich an Patienten mit neu aufgetretener Epilepsie, Patienten mit diagnostischen oder therapeutischen Problemen oder zur Einholung einer zweiten Meinung.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung bei Tieren. Ein Anfall wird durch spontane, nicht erwünschte elektrische Entladungen im Gehirn verursacht. Erst bei einem wiederholten Auftreten von epileptischen Anfällen spricht man von Epilepsie. Der Begriff Epilepsie selbst beschreibt keine einzelne Krankheit, sondern ist eine Folge einer Vielzahl von Hirnerkrankungen (z. B. Anomalien, Entzündungen, Tumore), Stoffwechselstörungen (z. B. Lebererkrankungen, Elektrolytverschiebungen), Vergiftungen oder genetischen bedingten Ursachen.
Wie läuft die Sprechstunde ab und was benötigen Sie?
Bei Erstvorstellung erfolgt ein ausführliches Gespräch unter anderem zum bisherigen Verlauf der Erkrankung (optimalerweise führen Sie einen Anfallskalender in dem Sie alle Anfälle mit Datum und Zeit eintragen, bitte bringen Sie, wenn vorhanden solch einen Kalender mit), zu Informationen über Geschwister-/Elterntiere sowie möglichen Voruntersuchungen und ggf. bisherigen Behandlungen und Auswertung von ggf. vorhandenen Videos bei fraglichen Anfallsgeschehen.
Bitte bringen Sie alle Unterlagen von Voruntersuchungen (wie z. B. Laborbefunde, Kernspinbilder) sowie Videos und Anfallskalender um Doppeluntersuchungen zu vermeiden mit.
Danach erfolgt eine klinische und eingehende neurologische Untersuchung. Über eine Blutuntersuchung können mit Hilfe von relevanten Laborparametern mögliche Stoffwechselstörungen diagnostiziert bzw ausgeschossen werden. Je nach Befund können dann weiterführende Untersuchungen in Narkose (Kernspintomographie und Gehirnwasserpunktion) erfolgen, bitte stellen Sie Ihr Tier daher nüchtern vor.
Es können alle neurologischen Spezialuntersuchungen sofort in unserem Haus erfolgen, so dass die Befunde dann direkt im Anschluss mit Ihnen besprochen werden können.
Ist ein Anfallsleiden schon vordiagnostiziert oder bestand bisher Therapieresistenz bieten wir Ihnen eine ausführliche Beratung bezüglich weiterer Therapiemöglichkeiten und eine langfristige Betreuung und Begleitung, auf Wunsch auch in Zusammenarbeit mit Ihrem Haustierarzt.
Zusammenfassung der Epilepsiesprechstunde:
- Erstabklärung mit ausführliche Anamnese über die bisherige Vorgeschichte, das genaue Anfallsgeschehen, Voruntersuchungen, bisherige Behandlung usw (bitte soweit vorhanden alle Vorbefunde mitbringen)
- Ergänzung eventuell fehlender Untersuchungen (z. B. Kernspintomographie des Gehirns, zusätzliche Laboruntersuchungen, Gehirnwasserpunktion)
- Optimierung der Behandlung, falls notwendig
- Verlaufsuntersuchung und Therapiekontrolle
- Beratung zur medikamentösen Behandlung (vor allem von therapieresistenten Tieren)
- Zusammenarbeit mit Ihrem Tierarzt
Die in unserer Praxis durchgeführten elektrodiagnostischen Untersuchungen des Gehörs sind unter verschiedenen Begriffen bekannt:
Im deutschsprachigen Raum spricht man von AEP (auditorisch evozierte Potentiale) oder Audiometrie, in den englischsprachigen Ländern kennt man den Test vor allem unter der Abkürzung BAEP (brain stem auditory evoked poenteial), oder BAER (brain stem auditory evoked respone).
Die Audiometrie kommt überwiegend zur Fragestellung einer angeborenen/genetischbedingten Taubheit im Rahmen einer Zuchtuntersuchung zum Einsatz. Diese sensoneurale Form der Taubheit beruht auf den Genen der Weiß-Pigmentierung und dem Merle-Gen. Von einigen Zuchtverbänden ist eine audometrische Untersuchung vor dem Zuchteinsatz vorgeschrieben, da aufgrund der möglichen Vererbung mit betroffenen Tieren (auch einseitig tauben Tieren) nicht gezüchtet werden soll.
Aber auch bei erworbener Taubheit (z. B. durch eine Mittelohrentzündung) besteht oft das Bedürfnis nach einer objektiven Meßmethode, da eine genaue Aussage aufgrund der noch anderen funktionierenden Sinnesorgane selbst für den erfahrenen Besitzer oft nur schwer möglich ist.